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Der Geist einer Erinnerung

Die Welt um mich herum ist eine andere und dennoch die gleiche. Füße trommeln auf den Boden, hier und da schiebt sich jemand in dem bunten Treiben des Abends vor andere Menschen um näher an den Stand heranzukommen und der Duft von frisch gebackenen Waffeln vermengt sich mit dem Hauch von gebratenen Würsten und Mais. Vielleicht hätte ich zu meiner Zeit das gleiche getan wie die Menschen nun, hätte mich ebenfalls dem Strom angeschlossen, der mich eben noch geweckt hat. Wie lange es her ist kann ich nicht sagen, doch genügend Zeit ist vergangen um all diese Füße vergessen zu lassen worüber sie hier eigentlich gehen. Es ist wichtig, ja das sagten sie. Das es wichtig sei und ich keine Verantwortung übernehmen würde und vielleicht hatten sie Recht, denn heute sage ich nicht ich bin. Ich sage ich war. 

Der Tumult ist zu viel für mich, wenngleich er mich auch an frühere Zeiten erinnert, und schließlich löse ich mich aus der Masse, lasse mich an die Ränder des Geschehens treiben. Die Farben verschwimmen, Regenmäntel und Schirme werden zu prächtigen Ballkleidern, das Riesenrad lässt sich in einem bunten Lichterstrudel zu dem einst so prunkvollen Kronleuchter formen und aus der Ferne kann ich noch die letzten Klänge des Walzers in der Abendluft hören. Irgendwo dort, zwischen all den anderen ist er. Nicht mein Prinz, wie es sich wohl geziemt hätte, noch nicht mal meine Affäre, einfach nur ein Gesicht, das anzuschauen ich nicht müde werden konnte.

Ich spüre ihn, kann ihn beinahe fassen und strecke meine Hand aus. Tatsächlich. Aus der Menge löst sich eine Gestalt, mit warmen, braunen Augen blickt er  mich an und deutet eine Verbeugung an als er mich zum Tanz auffordert. Gerade will ich seine Hand nehmen, mich gehen lassen und schweben, als ein rosa Berg von Zuckerwatte vor mir auftaucht und das Gestern hinter dem Heute verschwimmt. Nicht ein letztes Mal, selbst nicht hier darf ich ihn halten, nur träumen bis die Zeit vergeht und mein Geist sich an die Stimmen gewöhnt, die ihn aufgewühlt haben. Dann war ich wieder, irgendwo hier vor einigen Hunderten von Jahren. 

von Giulia Doreen Artéman

Die Legende von Jack O´Lantern- oder wie der Kürbis sein Gesicht bekam

 

Jack Oldfield war schon als kleiner Junge ein ganz außergewöhnliches Kind. Nicht das er besonders hübsch wäre. Mit seiner großen Knubbelnase, war er eher durchschnittlich wären da nicht die Augen. Ja wären da nicht die Augen, die wie zwei strahlende Sterne leuchteten und von einem dunklen Veilchenblau waren. Seine Mutter sagte immer das Kind habe Augen wie ein Engel und eine Seele die dem Teufel gehört. Nun muss man sagen, die arme Frau hatte es nicht leicht in ihrem Leben. Ihr Mann futterte den lieben langen Tag, so dass sie immer mit hochroten Wangen am Herd stand und stets neue Köstlichkeiten für ihre kleine Familie zauberte. Kein Wunder, dass sie da nicht die Zeit fand immer genau nachzusehen was ihr Sohn in der Nachbarschaft trieb und es war auch nicht so als würde sie es nicht mitbekommen. Ganz im Gegenteil. Neigte sich der Tag dem Ende hatte es bestimmt drei mal gegen die Türe geklopft und man sich über Jack beschwert. Einmal da soll er dem Nachbarn zur linken spitze Steine vors Bett gelegt haben, so dass er beim Aufstehen hinein trat. Dem Nachbarn zur Rechten hatte er die Wohnungstüre so fest zugebunden, dass der arme Mann durchs Fenster der Blockhütte zu seiner Arbeit am Marktstande hatte klettern müssen. Die Frau von nebem Kirchturm meinte zu wissen Jack habe die Kerzen aus der Kirche gestohlen um diese dann für fünf Pfennig das Stück zu verkaufen und der gewichtige Bürgermeister war ganz in Tränen aufgelöst gewesen als er davon erzählte, wie Jack seinen prächtigen Schnurrbart mit einem Taschenmesser abgeschnitten haben muss während er schlief. Der kleine Junge hielt das ganze Dorf auf Trab. Doch insgeheim konnte ihm keiner lange böse sein, denn sah man ihm erst in die Augen waren all diese Untaten vergessen.

Mit den Jahren wuchs nicht nur Jack heran auch seine Untaten nahmen in einem Maße zu, dass man sie als bösartig bezeichnen könnte. Selbst am Tag der Beerdigung seiner Eltern hatte er nur Schabernack im Sinn, doch den Zauber seiner Augen behielt er bei. Bis sich eines Tages, Jack feierte gerade seinen Sieg über einen Amtsmann, von und zu Hochwürden, den er beim Würfelspiel bis auf sein letztes Hemd betrogen hatte, eine zweifelhafte Gestalt in sein Leben trat. Es war höchst ungewöhnlich dass er vor etwas Angst hatte doch selbst Jack war unwohl zumute als der Fremde aus den Schatten stieg. Gut gekleidet war er. Lächeln tat er. Und doch, nichts desto trotz war da etwas, das ihn an dem Fremden störte. Ja jedes Mal, wenn er einen Sieg feierte tauchte dieses Gefühl des Unwohlseins erneut in Jack auf auch wenn es der Mann nicht tat. Stattdessen kamen vielerlei solche Gestalten in sein Leben, sie gratulierten ihm, klopften ihm auf die Schulter und lobten ihn für sein Teufelswerk.

Es war der Teufel höchstpersönlich, der Jack schon sein ganzes Leben lang immer wieder beobachtet hatte, denn mit jeder Missetat gehörte ein kleiner Teil von Jacks Seele ihm an.

Zunächst waren das nur kleine Teile und so eine Seele hat wahrlich viel was es von Seiten des Lichts zu retten gäbe. Doch umso mehr sich zeigte in welche Richtung sich Jack entwickelte, desto dunkler wurde der Schatten, der sich um ihn legte. Er wurde so dunkel, dass der Teufel nicht mehr nur seine Siege in unterschiedlichen Gestalten mit Jack feierte, sondern gleich bei ihm erschien wenn Jack wieder einen neuen Plan ausheckte um den lieben Bürgern des Dorfes ihr Hab und Gut abzuluchsen und ihnen Streiche zu spielen, die sie um ihr Ansehen in der Dorfgemeinschaft brachten. Und mit der Zeit erkannte Jack wer ihm da erschien. Er gehörte nun selbst so sehr dem Teufel an, dass er die dunklen wabernden Tentakeln sehen konnte, die von den feingliedrigen Fingern des Teufels auf ihn zu kamen, sich wie eine dunkel Aura um ihn legten. Und nicht nur er konnte sie erkennen. Mit der Zeit bemerkte er, dass die Dorfbewohner zögerten ihm zu glauben. Jedes Mal wenn das verflixte Teufelchen in seinen Weg trat hinterließ es eine Spur, die die Menschen von seinen lieben, großen Augen ablenkte und sie die Dunkelheit spüren ließ, die dahinter steckte. Es fiel Jack zusehends schwerer seinen Willen zu bekommen und seine Streiche zu verwirklichen. „Du musst damit aufhören“, ließ er den Teufel eines Tages wissen „Die Leute glauben mir schon nicht mehr so leicht. Sie sehen deine Dunkelheit.“ Doch der Teufel lachte ihn nur aus „Es ist nicht meine Dunkelheit die sie bemerken.“, ließ er den Jungen Burschen wissen. Alles Betteln und Bitten brachte Jack nichts, der Teufel ließ sich nicht verscheuchen.

Und so heckte Jack einen weiteren Plan aus. Nie wieder sollte ihm der Teufel in den Weg treten und den Schatten um ihn herum vergrößern ehe er einen Plan vollends durchgezogen hatte. Nie wieder sollte er ihm im Weg stehen wenn er die Gutgläubigen hinters Licht führte.

So zog Jack eines Morgens, es war Mitte Oktober, im nebligen Tau aus und legte im Wald eine Falle die dem Teufel galt. Mit dicken Seilen und vielen Lichtern, von denen sich eines nach dem anderen entzündete, wenn er nur das erste zum Brennen brachte, gedachte er den Teufel festzusetzen.

Er hoffte inständig, dass der Teufel einen Plan, der ihm selbst galt nicht durchschauen könnte.

Als alles soweit gerichtet war versteckte sich Jack hinter einem großen Eichenbaum und wartete. Doch vom Teufel war keine Spur zu sehen. Drei Tage in Folge legte sich Jack auf die Lauer bis ihm einfiel was er vergessen hatte. Der Teufel war ja immer nur dann erschienen, wenn er einen Plan gegen einen seiner Mitmenschen schmiedete. Oh das war leicht. Fix heckte Jack einen solchen aus und beschloss dem Gänsehirten seine Gänse zu klauen um diese alsbald auf dem Markt, bereits gerupft ,eben jenem zu verkaufen. Noch während er plante wie es sein könnte, beschloss er diesen Plan auch wirklich durchzuziehen, denn auf den Burschen hatte er es schon eine Weile abgesehen. „Jack wo bist du?“, erklang auch schon die Stimme des Teufels von zwischen den Bäumen. Lange, wabernde Tentakeln bewegten sich auf Jack zu, der hinter dem Baum auf der Lauer lag. „Spielst du verstecken? Man kann sich nicht vor mir verstecken Jack.“, belustigt trat der Teufel näher heran. Einen Schritt setzte er vor den anderen und schließlich auch auf das Seilgeflecht am Boden. Schnell zog Jack die Reißleine. Der überraschte Teufel fiel hinten über als sich die Seile hoben, ihn umfingen und mit ihm, gefangen wie ein Käfer im Spinnennetz, von einem dicken Ast herunter baumelten. „Das machst du nicht mit mir“, brummte der Teufel, seine Gestalt begann bereits zu verschwimmen als Jack die erste Kerze anzündete und sich alle Kerzen in Brand setzen. Nun saß der Teufel in der Falle, denn selbst zum Schatten werden, konnte er in einem Kreis aus so viel Licht nicht mehr.

Wie sehr genoss Jack doch seine Übermacht! Er lachte den Teufel sogar aus weil er so dumm gewesen war ihm in die Falle zu gehen. Jetzt sollte der Teufel doch mal sehen was er davon hatte ihm die schönsten Streiche zu verderben. Nur unter einer einzigen Bedingung wollte er den Teufel wieder gehen lassen, er musste versprechen ihm nie wieder in die Quere zu kommen. Seine Schatten sollte er bei sich behalten damit diese die Leute nicht mehr warnen konnten. Und zu Jacks größtem Vergnügen musste der Teufel auf diesen Handel eingehen.

Jack Oldfield gewann fortan an Ansehen, ergaunerte sich ein gutes Sümmchen Reichtum und wusste stets die Bürger des kleinen Dorfes und auch die der angrenzenden Dörfer an der Nase herum zu führen. Als er alt und knausrig war wusste keiner ein böses Wort über ihn zu sagen. Der Zufall spielte dem Mann in die Hände und das Glück war ihm stets hold. Das er selbst erst für ihr Unglück zuständig war konnte keiner sehen.

Verlor einer seinen Hof, so war Jack stets gewillt diesen zu übernehmen und sich nie zu schade bei der Übergabe freundlich Hände zu drücken und den Menschen mitzuteilen wie leid ihm ihr Unglück doch täte. Einzig, dass bei seiner Beerdigung keine Gäste anwesend waren, war ein wenig ungewöhnlich und manch einer behauptete doch tatsächlich er hätte Jack im Wirtshaus, bei ein paar Wein über den Durst, damit prahlen hören, er habe einst den Teufel in die Falle gelockt. Das Leben der Dorfbewohner wurde wieder ruhiger nach Jacks Tod und alsbald begann man ihn zu vergessen.

Jack jedoch hatte sich den Tod wahrlich anders vorgestellt. Als er starb und sich sein Geist von der Erde löste war er schnurstracks zur Himmelspforte marschiert. Hier wurde er sicher erwartet. Doch wie groß war sein Schrecken als er das prächtige Tor gut verschlossen vor fand und man ihm den Weg in die Hölle wies. Wie es schien brauchten seine Taten keine Schatten zu werfen um dem Himmel bekannt zu sein. Ein wenig geknickt machte er sich also daran zur Hölle herab zu steigen. Wer so geschickt durchs Leben kam und selbst den Teufel übers Ohr hauen konnte sollte es auch in der Hölle zu etwas machen können, tröstete er sich. Doch auch hier war die Pforte zum Übertritt verschlossen. „Hey!“, rief Jack. „Ist denn niemand hier?“

„Oh doch wir sind alle hier“, antwortete eine bekannte Stimme und vor er es sich versah tauchte auch schon der Teufel zu seiner rechten auf. „Ich möchte dich nur nicht hier haben.“. Jack wusste nicht so recht wie er dem Teufel erklären sollte, dass er kaum eine andere Wahl hatte als ihn einzulassen. „Dort oben sagt man aber ich gehöre hier her“, entgegnete er ein wenig gereizt. „Oh das tust du auch“, gelassen betrachtete ihn der Teufel „Du wirst nur keinen Einlass finden oder glaubst du ich würde dich hier noch willkommen heißen nachdem du mir eine Falle gestellt hast Jack Oldfield?“ , da wurde Jack ganz blass, denn wohin sollte er wenn er weder in den Himmel noch in die Hölle fahren konnte? „Oh und ich habe hier noch etwas das dir gehört“, bemerkte der Teufel mit einem lässigen Handwink. Von allen Seiten waberten dunkle Tentakeln auf Jack zu, nahmen ihm die Sicht und ließen alles um ihn herum in einem dunklen Nichts verschwimmen. Auf ein Leben verteilt wäre er den Schatten gewachsen gewesen. Doch nun da sie alle zugleich auf ihn einströmten konnte er der Dunkelheit nicht entrinnen.

Eine lange Weile war Jacks Jammern dort in der Dunkelheit zu hören während er alleine umher ging. Mit der Zeit wurde aus dem Jammern ein Weinen und schließlich war es so herzerweichend und ehrlich, dass sich selbst der Teufel mit einer Brise Mitleid beschenkt sah.

Also schenkte er Jack eine große Mohrrübe und ein Stück glühende Kohle, die ein feines Glimmen von sich gab. Zunächst verbrannte sich Jack an der Kohle die Finger. Doch dann kam ihm ein Einfall und er schnitzte aus der Mohrrübe große Stücke heraus. Nun konnte er die Kohle hinein legen und die Rübe als Lampe benutzen. Fortan wandelte er mit dieser durch die Dunkelheit. Doch hier und da, in ganz besonderen Nächten, wenn sich der Schleier zwischen den Welten hob, wurde er von Sterblichen gesehen. So kam es, dass man mit der Zeit daran glaubte, das Licht in der Karottenlampe könne böse Geister fern halten.

Nun könnt ihr euch sicher vorstellen wie schwer es ist ein Loch, das groß genug ist in eine Karotte zu schnitzen. Und keiner hat dabei so viel Zeit wie Jack. Dazu kam es, dass man nur wenige Karotten hatte. Im Überfluss und genau der richtigen Größe hingegen, gab es Kürbisse. Seither schnitzt man also Kürbisse mit dem Namen Jack O´Lantern und stellt sie draußen vor der Tür und im Hof ab um böse Geister fern zu halten.

Frei nach der Sage von Jack O`Lantern von Giulia Doreen Arteman 

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